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Reisebericht Syrien 2. Teil

Reisebericht Syrien 2.Teil 15. April 2018
In dem feinen Hotel in Tartous blieben wir drei Nächte und unternahmen tagsüber jeweils Besichtigungsfahrten in Museen und diverse alte Burganlagen oder historische Stätten. Die Landschaft war bis hier meist von sehr fruchtbarer Erde und mehr oder weniger intensive Landwirtschaft geprägt, obwohl es zum Teil sehr steinig war. Vielerorts waren die Steine in mühsamer, jahrelanger Arbeit zu Reihen, Haufen oder sogar zu kunstvoll aufgeschichteten Steinwällen zusammengetragen worden, um dann dazwischen Parzellen von einigermaßen bearbeitbarer Gestalt herzustellen. Da wurden dann Orangen, Bananen, Oliven, alles mögliche Gemüse, Melonen und auch Getreide angebaut. An den Straßenrändern wuchsen sehr oft Eukalyptusbäume, so dass ich vom Klima und von der Vegetation her, mich oft an Australien erinnert fühlte, wo ich 17 Jahre lebte. Fremd und komisch kam mir dagegen vor, dass man zuweilen trotz der subtropischen Verhältnisse in den Tälern – in der Ferne oft einen Blick auf Berge und Gebirgsketten mit Schnee deutlich sichtbar hatte. Das trifft ganz besonders im Libanon zu – wo rechts und links des breiten fruchtbaren Tales, wo man durchfährt, die Gebirgszüge des Libanon und Antilibanon mit ihren schneebedeckten Gipfeln zu sehen sind.
Aber selbstverständlich waren auch die jeweiligen Besuche in den Kulturstätten äußerst interessant, nur kann ich mir nicht so viele Einzelheiten der Führungen merken. Ein Führer meinte angesichts der uralten geschichtlichen kulturellen Gegebenheiten in Syrien, – „andere reden von Kultur, – wir leben sie“. So gibt es über 5 000 Jahre alte Ruinen, Ausgrabungen und Stätten, wo über die Jahrtausende in verschiedenen Epochen über und neben einander gebaut und umgebaut wurde. An einigen Stellen, wie zum Beispiel im Tartous Museum gab es auch nur eine begrenzte – oder reduzierte Auswahl an Kunstwerken, weil viele wertvolle Gegenstände wegen des Krieges in Sicherheit gebracht wurden und irgendwo in tiefen Kellern oder Höhlen schlummern, bis der Krieg vorbei ist.
Einmal besuchten wir eine Archäologische Ausgrabungsstelle einer Uralten Tempelanlage, in der angeblich die ältesten Schriftzeichen, die zu unserem Alphabet geführt haben, zu finden sind. Vor so viel uralter Kultur kann man schon etwas Ehrfurcht empfinden.
Das Essen – war so ziemlich einheitlich immer und überall dasselbe, morgens, mittags, abends. Es wurden Dutzende kleine Teller öder Schälchen mit – in Streifen geschnittene Karotten, Gurken, Tomaten serviert, dann Oliven, verschiedene Cremes oder Dipps oder Öle, Salate mit Petersilie und anderen Kräutern, Oberginen, Eier, und manchmal Pommes. Dann gab es immer das obligatorische Fladenbrot,- große, dünne, lederige, Pfannkuchenartige – nach nichts schmeckende Lappen, die man kaum schneiden konnte. Man reißt sich davon ein Stückchen ab, steckt etwas von den vielen Sachen auf den Tellern hinein, etwas von den Dipps oder Cremes dazu, rollt es ein wenig zusammen und steckt es in den Mund. Ich sagte immer etwas abfällig „Putzlappen“ zu dem Zeug. Meistens erst recht spät, wenn man sich an dem anderen Zeug schon ziemlich satt gegessen hat, wurde dann noch etwas Fleisch oder fleischiges serviert. Aber auch das Fleisch schmeckte nur selten. Erstens schien es in der Regel alter Hammel zu sein und zweitens hatte ich den Eindruck, – Schlecht kochen und würzen können sie gut. Außerdem war mir das Essen meist zu sauer. Alles schien mit Essig getränkt zu sein. Zu trinken gab’s Wasser, Tee und, wenn überhaupt, dann arabischen Kaffee – d.h. eine kleine Tasse sehr starken ungefilterten Kaffee, evtl. mit Zucker, aber ohne Milch. Abends und manchmal auch Mittags gab‘s meistens Wein oder auch auf Wunsch Bier. Die ganze Esskultur erschien mir ein wenig, wie in Frankreich, insofern, als dass das Essen lange zelebriert wurde. Man „schaufelt“ nicht schnell etwas in sich hinein, um satt zu werden, sondern, man zelebriert das Essen als ein soziales, kommunikatives Ereignis.– Ich möchte mich ausdrücklich bei dem Gastland für diese „negativen“ Einschätzungen entschuldigen – und dazu sagen, dass mir das Essen nur sehr wenig wichtig war. Dennoch möchte ich wahrheitsgetreu, so wie ich die Dinge gesehen und empfunden habe berichten. Einige Male war das Essen aber auch sehr lecker, so zB. bei der Familie Nader, die Pastorenfamilie der Tochter Christy, die mit uns reiste. Die hatten uns einmal in ihrem schönen Privathaus zum Mittagessen eingeladen und hatten sich dabei sehr viel Mühe gegeben – und es wurde ein wirklich schönes Event in der großen schattigen Terrasse vor dem Haus.
Nach drei Tagen und Übernachtungen in Tartous zogen wir um in das „Dorf“ Farba (oder so ähnlich – konnte mir den Namen nicht merken) dort blieben wir ebenfalls drei Nächte. Die meisten der Gruppe wurden privat bei Gastfamilien untergebracht. Ich kam zusammen mit Johannes (dem Appenzeller) und Ulrich (dem Jenaer) in den Unterkünften der Kirchenverwaltung unter, in der wir jeder ein Zimmer, ein gemeinsames Bad und eine Küche erhielten. Das war dann zwar nicht so luxuriös, wie die Hotels, – mir genügte es aber vollkommen.
In „Farba“ kamen wir nach einer langen Reise mit dem alten Bus Abends an und wurden begeistert von einer großen Blaskapelle mit Musik – und vielen freundlichen Menschen empfangen. Viele von uns hatten ob dieses emotionalen Empfangs einen Kloss im Hals oder gar Tränen in den Augen. Der Pfarrer ( Vater unserer mitreisenden Studentin Christy) – ein Patron und sehr engagierter Kopf der dortigen Christengemeinde, empfing uns im stattlichen Saal der Kirchengemeinde in der oberen Etage zu einer Tasse Tee und Begrüßungsgespräch, – welches Christy übersetzen musste. Die dortige katholische Christengemeinde ist eine sehr eng verbundene religiöse Minderheit von etwa 10 bis 20 % der Bevölkerung. Ähnliches gilt auch Landesweit, wo die muslimische Bevölkerung in der Mehrheit ist. Untypisch eigentlich für Katholiken, ist der Pastor Nader verheiratet und hat vier Töchter. Während des Empfanges saß er auf dem „Tron“ in der Mitte und rauchte Zigaretten. Mir zumindest aber war er sehr sympathisch, auch wenn ich weder Katholik, noch überhaupt Christ bin. Am nächsten Morgen brachte er uns höchstpersönlich, mit Syrischer Pünktlichkeit das Frühstück zu uns herauf. ( Da dachte ich mir, – bei den vielen Aufgaben und Verpflichtungen, die er hat, – hätte ich doch jemandem diese Aufgabe übertragen, – delegiert)
Die Syrische Zeitrechnung – oder Pünktlichkeit“ – daran muss man sich auch erst gewöhnen. 15 Minuten – können da zwischen 30 Minuten und zwei Stunden Dauern. Aber – take it easy, – kommst Du heut nich, kommst Du morgen.
Als „Dorf“ hätte ich das „Farba“ nicht gedacht. Mir schien es schon viel mehr, wie Stadt. Breite Straßen, überall kleine Kaufläden oder Werkstätten, auch die vielen „Bauern“ scheinen hier zu wohnen und oft steht ein alter Traktor und ein paar Landwirtschaftsmaschinen vor dem Haus auf der Straße.
Es war ja Ostern – und am nächsten Morgen (Samstag) gab es einen Gottesdienst in der Kirche, zu dem wir eingeladen waren. Dort erlebten wir ein langes, strenges, feierliches Ritual mit Priester und Messdiener im Prunkgewand, Weihrauch, – schönem Chorgesang, – aufstehen, hinsetzen, aufstehen usw. Bei einer Tasse Tee im besagten Saal nach der Kirche, bat ich um’s Wort und hielt eine kleine Dankesrede, in der ich auch versuchte zu erklären, weshalb wir nach Syrien gekommen waren (nicht als Touristen, sondern eher als volksdiplomatische Botschafter) – Christy übersetzte für mich. Das fand ihr Vater, der Patron dann wohl so gut, dass er mich bat, ob ich am nächsten Tag – immerhin Ostersonntag – diese „Rede“ – noch einmal in der Kirche wiederholen würde. – Natürlich, warum nicht? – dafür waren wir doch gekommen.
Also – Ostersonntag – nochmal Gottesdienst in der vollgepackten Kirche. Fast nochmal so viele standen draußen vor auf dem Kirchhof. Nach der Zeremonie, der Predigt und dem Abendmahl (an dem ich als –Nichtchrist – nicht teil nahm) wiederholte ich dann, vorne neben Priester und Altar stehend, meine Rede vom Vortag. Christy übersetzte wieder. Ich sagte in etwa:
„- Liebe Freunde, – für Eure wunderbare Gastfreundschaft danken wir Euch von ganzem Herzen. Besonders der gestrige emotionale Empfang mit Blaskapelle und vielen begeisterten Freunden, hat uns zutiefst bewegt. Wir sind gekommen, weil uns ein tiefes Mitgefühl mit Euerm – weitestgehend unverschuldeten schlimmen Schicksal des Krieges, mit Euch verbindet – und weil wir eine sehr echte Sympathie für das Syrische Volk empfinden. An dieser Stelle möchte ich auch meinen Dank an Vital Burger, unseren Reiseleiter und Organisator der ganzen Reise aussprechen. Ihm haben wir zu verdanken, dass er mit seiner Idee und seinem Engagement und mutigen Einsatz, diese Reise für uns alle ermöglicht hat. – Wir sind gekommen, – nicht in erster Linie als Touristen, – obgleich wir die vielen herrlichen Sehenswürdigkeiten sehr wohl auch genießen und zu schätzen wisse. Nein, wir sind gekommen, – als erste Reisegruppe seit dem Krieg in Syrien, um Euch unsere Sympathie und unser Mitgefühl zu überbringen – und – um uns ein echtes, unverfälschtes Bild der Lage vor Ort zu machen. – und um dann, wenn wir wieder zu Hause sind – diese Erlebnisse und was wir gesehen haben unseren Freunden und Landsleuten zu erzählen. Und uns so und dann dafür einzusetzen, dass dieser unsägliche Krieg endlich beendet wird und – vor allem – die Sanktionen gegen Euer Land aufgehoben werden. Wir sehen ein erstaunlich mutiges, lebendiges Volk mit vielen wunderbaren Kindern und Jugendlichen – und wir wünschen Euch von ganzem Herzen alles Gute für die weitere Zukunft. Vielen Dank.“
Nach dieser Rede setzte in unserer Gruppe schon ein leichtes Gespött ein – und Friedemann meinte einige Male – „willst du nicht mal wieder eine Rede halten?“ – so dass ich zu fühlen begann, wie Troubador, der Sängerbarde bei Asterix und Obelix. Aber egal, ich bin keine Mimose und kann Spaß ab, – kann auch austeilen.
Am letzten Abend in „Ferba“ – waren wir Abends zum Essen in ein Restaurant – zusammen mit der katholischen Jugend eingeladen. Es waren neben unserer Gruppe so ungefähr 50 -60 Junge Schüler, Studenten und andere dabei. Noch während wir aßen, setzte die Musik ein. Die Syrer scheinen’s laut zu mögen. Fast unerträglich laut, so dass einige von uns sich Papiertaschentücher in die Ohren stopfen mussten. Nach einer Weile fingen wir an zu Tanzen. Zuerst zaghaft, dann wurden es immer mehr und es wurde immer lebhafter. Und dann ging es los, – die Jungens packten ein Mädchen an der Hand, – oft wohl das „ihrige“ – und führten das meist schüchterne Geschöpf zu mir – und baten mich, – mit ihr auch einmal zu tanzen. Kaum hatte ich ein Weilchen mit ihr getanzt, kam schon der Nächste und bot mir eine weitere „Schöne“ an. Bis zur Erschöpfung. Das muss wohl der ultimative Traum eines jeden eingebildeten Machos gewesen sein
Am nächsten Tag führte uns eine lange Busreise durch zum Teil ganz andere, karge, steinige, bergige Landschaften.

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