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Absolut und relativ

Seit etwa 20 Jahren gehöre ich einem Stammtisch an. Wir treffen uns einmal im Monat in einer Kneipe, erzählen uns „das Neuste“ – auch Witze, wenn’s neue gibt und unterhalten uns ganz gemütlich bei einem Bier oder Glas Wein. Gegründet haben wir den Stammtisch einst, als ich einen größeren öffentlichen Auftrag an der A7 bei Hamburg hatte und einer der (jetzigen) Stammtischbrüder als Sozialarbeiter mir mit seinen Schützlingen beim Schreddern des abgesägten Straßenbegleitgrüns half. Wir nannten unseren Stammtisch in sarkastisch liebevoller Art „Seilschaft“.                                                Ursprünglich hatte ich viel größere Ambitionen und Hoffnungen mit diesem „Unternehmen“ gehabt. Ich wollte tatsächlich gern sowas, wie einen „Kader“, – einen Club von Interessierten, die sich gegenseitig bilden und helfen und vielleicht dereinst zu gemeinsamen „Aktionen“ schreiten könnten. Dieser „Traum“ war schnell ausgeträumt, – daran hatte keiner ein Interesse, vor allem nicht zu irgend einer Art von Verbindlichkeit.                                                              Heute gehören dem Tisch noch so 6-7 Männer an, die meisten in der Verwaltung tätig und von der Grundeinstellung so eher linksorientierte alt 68iger. Das ist jetzt so meine Sicht. Ich bin da eher so der konforme Querdenker. Neulich platze einem meiner sonst eigentlich sehr lieben Brüder der Kragen und er meinte, – ich sei ein ewiger Querulant, habe zu allem eine andere Meinung und er wolle nicht mehr kommen, das sei ihm alles zu blöd und stressig. Vorrausgegangen war ein Gespräch über ein politisches Thema, wo wir mal wieder unterschiedlicher Meinung waren. Der Auslöser des „Streits“ war, als ich sagte, -“ da müsst ihr euch mal gründlich informieren“.       Das mögen viele nicht und das erlebe ich immer häufiger. Das „Häufiger“ -ist wohl hauptsächlich zurückzuführen auf die Tatsache, dass die Diskrepanz zwischen dem, was ich weiß ( oder sei’s nur, dass ich glaube es zu wissen) – und dem was andere durch den ausschließlichen Konsum unserer Mainstreammedien „wissen“ (oder glauben zu wissen) – immer größer wird.                    Ganz ähnliche Erfahrungen musste ich machen mit einem Gesprächskreis, welchen ich vor zwei Jahren gründete. Nach einem guten und optimistischen Anfang mit etwa 12 Mitgliedern, zur Hälfte Frauen und Männer versandete das Interesse im Laufe der Zeit, weil die meisten eben nur an einer netten, gemütlichen Plauderstunde interessiert waren – und meine Themen entweder keinen wirklich interessierten, oder aber, die Unterschiede in der Sicht und Bewertung zu groß waren. An einem verbindlichen Arbeiten an einem Thema hatte jedenfalls keiner ein Interesse.                                                      Gut, ich gebe schon zu, dass ich mitunter ein „stacheliger, kontroverser“ Gesprächspartner bin. Und ich liebe eine heiße kontroverse Diskussion. – Nur „unter Gürtellinie“ – da bin selbst ich empfindlich. Persönlich diffamierend darf’s nicht werden.                                                                                                              Häufig erlebe ich, dass man bei Geburtstagsfeiern oder ähnlichen Anlässen begrüßt oder verabschiedet wird mit den Worten „Hauptsache Gesundheit, alles andere ist weniger wichtig“, – da widerspreche ich und sage – „die Gesundheit ist mir zwar wichtig und lieb, aber als „Hauptsache“ mag ich sie nicht benennen. Es gibt Dinge, die mir wichtiger sind, als meine Gesundheit, – zum Beispiel das Wohl meiner Kinder und Enkel – und meines Landes. Dafür  bin ich schon mal bereit ein Stück meiner Gesundheit zu opfern oder auf’s Spiel zu setzen, wenn’s nötig ist.  Genau das schrieb ich auch dem von mir sehr geschätzten amerikanischen Journalisten Robert Parry, als ich von seinem ersten Schlaganfall erfuhr. Leider ist dieser gute Mann jedoch seinem Leiden vor 2 Wochen erlegen. Er war so alt wie ich (68). Umso mehr Respekt habe ich vor seiner Leistung als schonungsloser unbequemer Aufklärer. Das ist es, was Journalisten ja eigentlich sein sollten. Leider gibt es davon heute immer weniger und die meisten sind angepasste Erfüllungsgehilfen, die das schreiben oder sagen, was von ihnen verlangt wird, oftmals sogar wider besseres Wissen.  Ein ähnliches  Problem plagt mich zuweilen auch in der Friedensbewegung, mit denen ich ja so manche gemeinsame werte und Vorstellungen teile.                Nur,- wenn es heißt „Hauptsache“ Frieden, werde ich hellhörig und manchmal kontrovers. Auch da sage ich “ Frieden ist mir wichtig und teuer und lieb, – aber es gibt Grenzen. Meine Freiheit ist mir so wichtig, dass ich sie nicht für Frieden aufgeben möchte. Wenn’s denn wirklich sein muss, dann kämpfe ich lieber. Da halte ich mich an das norddeutsche Wort „lever dout, as Slaav“.

4 Comments on “Absolut und relativ

  • Horst Dannehl
    5. Februar 2018 at 16:15

    Alfred,
    Als dein ältere Bruder staune ich mich über deine Begabung, dich schriftlich auszudrücken. Mir fällt das viel schwerer aber trotzdem liebe ich auch eine gute Diskussion solange sie, wie du sagst, nicht unter den Gürtel geht. Bezieglich des thema eurasische Verbindungen, habe ich nicht seht positive Gedanken. Obwohl ich zugebe dass der amerikanische Einfluss der letzten paar Jahrzehnte auf der ganzen Welt nicht immer seht positive war, so meine ich doch dass ein russischer Einfluss bestimmt nicht viel besser wäre. Über den Einfluss eines modernen China kann man noch diskutieren. Die Medien bestimmen leider was wir zu tuen und zu denken haben und wie du sagst, ist es sehr schwer sich richtig zu informieren und dann seine eigene Meinung zu entwickeln. Ich sage immer „das ist ja scheisse was hier los ist“ aber die Alternative, in meinem Fall wenigstens, ist schlimmer. Keep up the good work! Ich glaube nicht dass wir die Welt ändern können aber du hast recht es wenigstens zu versuchen.

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  • Alfred Kath
    5. Februar 2018 at 23:09

    Schön zu sehen, dass Du hier reinschaust. Dass die Medien sehr wohl versuchen, uns vorzuschreiben, was wir zu denken oder meinen haben, ist zweifelfrei Fakt. Dennoch gibt es schon viele Möglichkeiten, sich auf alternative Weise zu informieren und bilden, – besonders heute mit dem Internet. Aber man Bücher lesen, Vorträge, Veranstaltungen, Kongresse besuchen und hören – und Reisen.
    Wie Du weißt war ich letztes Jahr drei Mal in Russland – und ich kann Deine „Russophobie“ gar nicht verstehen. Russland ist ein wunderschönes Land mit tollen Städten und die Menschen sind sehr, sehr freundlich, – gerade zu uns Deutschen, was angesichts der Leiden, die sie in zwei Weltkriegen zu dulden hatten erstaunlich ist. Das ist nicht bei den Franzosen und Engländern in gleichem Maße der Fall. Da gibt es noch viel häufiger „resentment“ – Ablehnung.
    Ich denke schon, dass wir „die Welt ändern“ – ein kleines Stückchen jedenfalls.

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  • Renate Kunze
    8. Februar 2018 at 10:18

    Lieber Alfred,
    vielen Dank für Deinen Artikel, den ich gerne gelesen habe. Zu der Äußerung „Da müsst ihr euch mal gründlich informieren“ glaube ich, dass kaum jemand so etwas hören mag, denn sie unterstellt ja Deine Überlegenheit. Die implizite Aussage lautet „Ich weiß es besser als ihr, und ihr seid schlecht informiert“. Den möchte ich sehen, der da nicht sauer wird. Wenn ein solches Gespräch verletzungsfrei über die Bühne gehen soll, wäre es meiner Meinung nach besser, konkrete Quellen zu benennen, wie „Das habe ich bei Brzezinski gelesen“ oder „Das hat George Friedman bei einem Vortrag in Chicago gesagt, kann man daundda anschauen“. Ich glaube, bei einem Gespräch auf gleicher Augenhöhe bleiben die Menschen zugänglicher und lassen sich vielleicht doch einmal etwas durch den Kopf gehen, anstatt in die Gegenwehr zu gehen.
    Prinzipiell stimme ich Dir zu, dass alternative Medien und Bücher unverzichtbar sind, um eine gewisse Bandbreite an Informationen zu erhalten.
    Bei der russischen Bevölkerung ist mir – abgesehen von der großen Freundlichkeit – auch eine Fähigkeit des differenzierten Denkens aufgefallen ist, die ich hier in Deutschland selten erlebe, also keine einfachen Schwarz-Weiß-Schemata, sondern ein genaueres und abwägendes Hinschauen und Bewerten. Dies hat übrigens Gabriele Krone-Schmalz auch des Öfteren erwähnt, wenn sie nach ihren Erfahrungen mit der russischen Bevölkerung gefragt wurde. Diese Differenziertheit ist auch eine gute Voraussetzung, um nicht so leicht Feindbilder aufzubauen.
    Deine Idee mit der eurasischen Gesellschaft finde ich sehr interessant. Toitoitoi – und bleibe unbequem!

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  • Alfred Kath
    8. Februar 2018 at 22:43

    Hallo Renate,
    Du hast ja Recht. Immerhin, zu meiner Verteidigung, – in einem Männerstammtisch, zumal nach über 20 jähriger Bekanntschaft, geht man nicht immer so zimperlich mit einander um. Aber wir haben uns auch schnell wieder vertragen, nachdem ich mein Ausscheiden angeboten hatte, da ich ja der Verursacher war – und der Querulant bin.
    Krone -Schmalz finde ich auch gut.
    Gestern las ich einen sehr guten Artikel in „Consortium News“ über Putin.
    Allerdings in Englisch.
    https://consortiumnews.com/2018/02/06/understanding-russia-un-demonizing-putin/

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